Die Gender-Studies sind ein plurales, inter- und transdisziplinäres Wissenschaftsfeld. Hervorgegangen aus Frauenbewegungen und zuerst institutionalisiert als Frauen- und Geschlechterforschung, umfassen die Gender-Studies heute Analysen z.B. zur biopolitischen Regulierung von Geschlecht, zur intersektionalen Verschränkung von Migration und Geschlecht, zu LGBT*I*Q* Lebensformen und zur ungleichen Bezahlung von Arbeit. Ebenso werden Gleichstellungspolitiken analysiert, eine geschlechtsdifferenzierende Gesundheitsvorsorge entworfen oder stereotype Geschlechterdarstellungen in der populären Kultur betrachtet. Dieser Vielstimmigkeit und Vielgestaltigkeit der Gender-Studies Rechnung zu tragen, sie sichtbar zu machen und zu unterstützen, war und ist das Anliegen der 2010 gegründeten Fachgesellschaft Geschlechterstudien. Geschlechterforschung steht für eine breite, diverse und diversifizierende wissenschaftliche Arbeit. Wie jede andere Forschungsrichtung benötigt sie Forschungs- und Lehrstrukturen in Form wissenschaftlicher Institutionalisierung.

Trotz der regen fachlichen Diskussion und Vielzahl der Forschungsprojekte werden die Gender-Studies in der medialen und politischen Öffentlichkeit verkürzt und homogenisierend dargestellt: Sie seien nicht professionell, nicht wissenschaftlich, politisch radikal, ideologisch erstarrt und verursachten letztendlich eine problematische soziale Heterogenität. Als Vorstand der Fachgesellschaft Geschlechterstudien weisen wir diese Unterstellungen und Diffamierungen gegen ein etabliertes Wissenschafts- und Forschungsfeld sowie gegen Fachkolleg*innen entschieden zurück. Wir lehnen die verkürzten Darstellungen ab, die sich mit rassistischen und klassistischen Positionen verflechten und die in der Sache – wie vielfach belegt – unqualifiziert und falsch sind.

Die Geschlechterstudien sind kein fixiertes Wissensgebiet, sondern in fast allen Disziplinen vertreten – in Bildungswissenschaft, Ethnologie, Geschichtswissenschaft, Kulturwissenschaften, Medienwissenschaft, Naturwissenschaften, Rechtswissenschaft, in allen Philologien, in Philosophie, Soziologie, Wirtschafts- und Technikwissenschaft u.v.m. Gleichzeitig bezeichnen Gender-Studies auch ein selbständiges Fach. Die Teildisziplinen der Gender-Studies tauschen sich in einem interdisziplinären Feld untereinander aus und werden aus einer inter- und transdisziplinären Perspektive reflektiert. Die verschiedenen disziplinären sowie inter- und transdisziplinären Ansätze unterscheiden sich in ihren theoretischen Herangehensweisen, empirischen Forschungsgegenständen und analytischen Zugängen.

Als gemeinsamer Nenner kann die Erkenntnis gelten, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Geschlecht wie auch andere sozial wirksame Differenzen (wie Ethnizität, Klasse, Bildung, Alter, Gesundheit usw.) Identitätspositionen, Lebensweisen und Wahrnehmungen nachhaltig organisieren und alle sozialen Verhältnisse, den Zugang zu Politik und Macht sowie die Verteilung von Ressourcen regeln. Von diesen Machteffekten sind sowohl Frauen* als auch viele Männer* betroffen, und über sie konstituieren sich Ausschlüsse z.B. von LGBT*T*I*Q*-Personen und people of color. Komplexe sozioökonomische Zusammenhänge und kulturelle Dynamiken differenziert nachzuvollziehen, ihren Wandel oder ihre Persistenz, ihre Regeln ebenso wie die Ausnahmen von diesen im historischen Vergleich offenzulegen, ist Aufgabe einer Wissenschaft der Geschlechter.

Ganz in diesem Sinne tritt die Fachgesellschaft dafür ein, sich den zentralen Herausforderungen der Gegenwart zuzuwenden. Heute möchten wir mehr denn je das auf wissenschaftlicher Forschung beruhende ethische und demokratische Bestreben der Gender-Studies betonen. Denn sie untersuchen Bedingungen sozialer, kultureller, sexueller, ethnisierter Diskriminierungen, sensibilisieren gegenüber struktureller und anders verursachter Gewalt und verändern somit eben diese gesellschaftlichen Umstände und Phänomene.

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