Die Gestaltung eines nachhaltigen Ernährungssystems stellt momentan wohl eine der größten Herausforderung und Notwendigkeit zugleich dar, wie nicht zuletzt die Berichte des Weltklimarates und des Weltbiodiversitätsrates eindrücklich aufzeigten. Unter Schlagworten wie ‚Agrarwende‘ und ‚Ernährungssouveränität‘ wird ein Umdenken in der Agrarpolitik gefordert, welches die Versorgung der Menschen durch ökologisch nachhaltige Produktionsweisen in den Mittelpunkt stellt. Dabei bringt die Forderung, das Ernährungssystem wieder stärker als Versorgungssystem zu verstehen und nicht als rein marktwirtschaftliche Institution, letztendlich den Begriff der Sorge in den Fokus. Dieser ist bisher jedoch kaum Teil der wissenschaftlichen Auseinandersetzungen im Bereich der Agro-Food-Studies. Wenn überhaupt, wird nahrungsbezogene Sorge und Sorgearbeit im privaten Kontext betrachtet und weniger als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden. Dabei gibt es durchaus Ansätze, welche das Potential einer gesellschaftspolitischen Fokusverschiebung auf Sorge hervorheben, sehr vereinzelt sogar bereits im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Im Rahmen meiner Promotion möchte ich dementsprechend den Sorgebegriff über den reproduktiven Kontext hinaus auch in den Bereichen der Produktion verorten und insbesondere landwirtschaftliche Tätigkeit als Sorgearbeit verstehen – die Sorge um die Natur und die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen als auch Sorge um gute Produkte für die Ernährung anderer. Einen besonderen Fokus möchte ich dabei auf die emotionale Komponente der Arbeiten und Ausdrucksformen der Sorge im Rahmen der landwirtschaftlichen Produktion legen, um Handlungen und Entscheidungen der Akteur*innen besser verstehen zu können. Zwar haben sich bereits viele – vor allem feministische – Theoretiker*innen mit dem Thema Sorgearbeit auseinandergesetzt, zentral ist dabei jedoch zumeist die Sichtbarmachung von insbesondere von Frauen ausgeübten Tätigkeiten im privaten Kontext, die Verdeutlichung ihrer gesellschaftlichen Notwendigkeit sowie die Anerkennung dieser Tätigkeiten als Arbeit. Es ist anerkannt, dass Sorgearbeit nach anderen Parametern funktioniert als sogenannte produktive Arbeit. Genau diese dichotome Aufspaltung möchte ich betrachten und hinterfragen: Ich möchte analysieren, inwieweit Sorgearbeit nicht auch als Teil landwirtschaftlicher Tätigkeiten verstanden werden muss, welche Überschneidungen zwischen Sorgearbeit im Bereich der Produktion und im Bereich des Konsums existieren und welche Potentiale sich aus solch einer Perspektiverweiterung ergeben, insbesondere in Bezug auf Fragen der Nachhaltigkeit.