Abjekte Körper: Zur Kulturgeschichte der Monstrositäten, 1500-2023

Diese Untersuchung versucht, die historischen Vorläuferdiskurse zu eruieren, die die Grundlagen der gegenwärtigen Diskussionen um Geschlechtsidentitäten und Transgender-Menschen bilden. Die westlichen Kulturen – damit meine ich die Kulturen der entwickelten kapitalistischen Wirtschaftsordnung auf der Grundlage judäo-christlicher Ethik und einer kolonialen Vergangenheit – vor allem also die Kulturen Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, der USA und Kanadas, basieren auf der Vorstellung der „Normalität“. Der Begriff „normal“ wird verwendet, um individuelles Verhalten zu beschreiben, das mit dem in der Gesellschaft am häufigsten vorkommenden Verhalten übereinstimmt – bekannt als Konformität. Beatriz|Paul B. Preciado spricht von einer „[…] anxious Western obsession […] with wanting to reduce the truth of sex to a binomial“.[1] An anderer Stelle spricht Preciado von der „stubborn rigidity of the codes and desires which the hetero-patriarchal regime dictates.“[2]

Dieses Buch zielt darauf ab, den Binarismus historisch abzuleiten und zu kritisieren, indem es vorschlägt, die Vielfalt der dem Präfix trans innewohnenden „Abnormität“ historisch zu erfassen. Transidente Menschen tauchen ja nicht erst im 20. Jahrhundert auf und werden im 21. sichtbarer, sie bevölkern die Geschichten, Sagen, Märchen, Predigten, Gesetzestexte und medizinischen Handbücher spätestens seit dem 16. Jahrhundert. Die hier behandelten Körper|Wesen sind als „Abnorme“ zu unterschiedlichen Zeiten verschiedenen Formen der Ausgrenzung und Verfolgung ausgesetzt gewesen. Ihnen gemeinsam ist, dass sie als Abjekte mit „Monstern“ gleichgesetzt oder als monströs bezeichnet worden sind. Damit stellt die Untersuchung nicht nur einen Beitrag zur Problematisierung der Grenze von Tier und Mensch, sondern auch einen Versuch zur Historisierung des „natürlichen“ Geschlechts dar, also der historisch gewordenen Vorstellung, dass es (nur) zwei biologische Geschlechter gibt, nämlich weiblich und männlich, und dass alle Menschen einem dieser beiden Geschlechter natürlicherweise angehören.

[1] Zitiert in Santos, Ana Lucia. Beyond Binarism? Intersex as an Epistemological and Political Challenge. In: Revista Critica de Ciencias Sociais. 2014; 6:123-140, S. 123.

[2] Preciado, Paul B. Letter from a Trans Man to the Old Sexual Regime. [Webpage].  https://www.textezurkunst.de/de/articles/letter-trans-man-old-sexual-regime-paul-b-preciado/. Gesehen 6. September 2022.

 

Titel Langfassung

Abjekte Körper: Zur Kulturgeschichte der Monstrositäten, 1500-2023. Bielefeld: transcript, 2024.

Professor*in

Norbert Finzsch

Forschungsprojekt abgeschlossen

ja

Laufzeit

2021 – 2024

Projektart

Eigene Stelle

Informationen zur Förderung

Eigenförderung