Das Wissen um soziale und ökologische Krisenhaftigkeiten des gegenwärtigen Ernährungs- und Agrarsystems signalisiert zunehmende Dringlichkeit. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach dem Wandel im Landwirtschafts- und Ernährungssystem. Schon seit den 1960er Jahren gibt es in Deutschland Formen der Landwirtschaft, die versuchen, vielen dieser (wenn sich seit damals auch wandelnden) Tendenzen mit einer Gemeinwohlorientierung etwas entgegensetzen. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts diversifizieren sich diese Ansätze gemeinschaftlicher und gemeinwohlorientierter Landwirtschaft und Versorgungsstrukturen, z.B. als Solidarische Landwirtschaft, Regionalwert AG oder BioBoden Genossenschaft und gewinnen an Bedeutung. Zentrales Element aller Ansätze ist es, Konsument*innen und Produzent*innen näher aneinander zu bringen. Damit wird die soziale Organisation von Landwirtschaft und Ernährung in den Mittelpunkt gerückt. Es zeigt sich, dass Landwirtschaft und Ernährung als Katalysator und Versuchsacker neuer Konsum-, Produktions-, Arbeits- und Lebensformen dienen können. Einige dieser Organisationsformen werden in der Soziologie als „soziale Innovationen“ untersucht, denen das Potenzial zugeschrieben wird als change agents zu sozial-ökologischen Transformationsprozessen beizutragen (vgl. Boddenburg et al. 2017; Brunori et al. 2010). Gleichzeitig sind auch soziale Verhältnisse krisenhaft, in die die Organisation von Landwirtschaft und Ernährung eingebettet sind. Geschlechterverhältnissen wird eine zentrale Rolle in der Gestaltung, Beschaffenheit und damit Krisenhaftigkeit gegenwärtiger gesellschaftlicher Naturverhältnisse attestiert (vgl. Gottschlich und Mölders 2017). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Prozesse des Wandels alternative Organisationsformen erzählen, initiieren und leben. Wie (re)produzieren oder destabilisieren innovative Ansätze gemeinwohlorientierter und gemeinschaftlicher Landwirtschaft in Deutschland existierende Geschlechterverhältnisse in ihren Praktiken für eine sozial-ökologische Transformation des Ernährungssystems?