Im Zentrum dieser Arbeit steht die Frage, wie Begriffe der Affizierung, der Intensität und der Temporalität, aber auch des Graduellen und Flüchtigen auf dislozierende – queere – Weise nicht nur Vergemeinschaftungen denkbar werden lassen, sondern darüber hinaus die Medialität und Visualität von Repräsentationen homosexueller Männlichkeiten beeinflussen. Von der These ausgehend, dass ästhetische Positionen wichtige Impulse für die Frage liefern, wie queere Politiken der Solidarität gestaltet werden können, fokussiere ich auf Fotografie als Affizierung. Fotografische Visualisierungen dienen somit primär nicht der Sichtbarmachung der selbstbewussten Emanzipation diskriminierter Geschlechter und Sexualitäten. Vielmehr werden temporäre Bündnisse von Betrachter_innen und Dargestellten erzeugt, die eine queerende, also Normierungen und Regulierungen aufbrechende Kraft entwickeln. Es wird zu erörtern sein, inwiefern Fotografie als Affizierung als eine solche queere Kraft fungieren kann. Schmerz verstehe ich im Rahmen dieses Versuchs als einen visio-politischen Affekt, das heißt als eine ästhetische Erfahrung, die nicht allein ein Akt des Sehens oder der Sichtbarkeit ist, sondern eine verkörperte Wahrnehmung. Verstanden als ein Modus des Affiziert-Werdens, definiert sich Wahrnehmung dabei durch die Körperlichkeit des fotografischen Materials (verletzte, poröse Oberflächen, Verfärbungen, Verschmutzungen, toxische Umgebungen). Gleichzeitig handelt es sich um einen Prozess des Affizierens der Fotografien, und zwar im Sinne eines Ins-Bild-Eingreifens. Affizierte Betrachter_innen bleiben nicht außen vor, sondern werden Teil des fotografischen Gefüges. Als dieser Teil werden Destabilisierungen der eigenen Positionen erreicht und werden Betrachter_innen für Revisionen empfänglich. Diese Destabilisierungen im Betrachtungsverhältnis möchte ich als Möglichkeit einer queeren Repräsentationskritik etablieren. Die Grundlage für die Untersuchung von Repräsentationen von Schmerz und Verletzbarkeit bilden die privaten fotografischen Selbstdarstellungen Albrecht Beckers. Beckers circa 100.000 Selbstbilder (im Verhältnis zu geschätzten 300.000 bis 500.000 Fotografien Beckers insgesamt,) entstanden nahezu über das gesamte 20. Jahrhundert verteilt und vermitteln allein aufgrund ihrer großen Anzahl einen Eindruck davon, welchen Stellenwert die fotografische Schmerzerzeugung gehabt haben muss. Aber auch die visuelle und sinnliche Ästhetik des Schmerzes in Beckers Fotografien hebt sich von den privaten und zum Teil künstlerischen Fotografien seiner Zeit wie auch unserer Gegenwart ab. Insofern stellen sie einen besonderen Fundus dar und sollen im Rahmen dieser Arbeit im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen.