Das Ziel meiner Arbeit ist es, das methodologische Instrumentarium der interdisziplinären Trauma-Hermeneutik auf ausgewählte Psalmen anzuwenden. Unter Aufnahme der Methode der Narrativen Exegese und der literatur- und kulturwissenschaftlichen Traumatheorien wurde anhand verschiedener Psalmen aufgezeigt, wie diese antiken Gebetstexte auf traumatische Ereignisse reagieren. Psalmen werden oft als Zeugnisse, Memoiren oder Bekenntnisse aus der Überlebensperspektive dargestellt. Als Gebetsformulare und Gebrauchstexte haben sie explizit oder implizit das Ziel, belastende Ereignisse ‒ wie Bedrohung an Leib und Leben (Ps 22,2‒22), Gewalt und Kriegserfahrungen (Ps 88,5; Ps 137) ‒ innerhalb der Lebensgeschichte oder aber in der generationenübergreifenden Weitergabe (Ps 107) zu verorten und coram Deo, bzw. coram publico ein Zeugnis abzulegen. In den untersuchten Psalmen wurde deutlich, dass/wie die fragmentierten Teile eines Narratives in die Erzählbarkeit einbezogen werden können. Dabei war zu prüfen, wie traumatische Ereignisse in verschiedenen Konstellationen (in körperlichen Symptomen, im kollektiven Gedächtnis, in der Geschichtsschreibung und im öffentlichen Diskurs oder in der Zersetzung der konventionellen Sprachstrukturen) Gestalt gewinnen könnten. Des Weiteren ging es um die Erschließung des Resilienzpotentials der Psalmen im Blick auf eine traumagerechte Anthropologie und Theologie.