Call for Papers – Verlängerung: Große und feine Unterschiede. Populäre Genres in Musik, Literatur und Film von der Gründerzeit bis zur Weimarer Republik (17.03.2020)

Interdisziplinäre Konferenz

27.-29. Mai 2020, TU Dortmund / AG Diversitätsstudien, in der Evangelischen Akademie Hofgeismar

In der Anlaufphase der massenmedialen Populärkultur gingen Film, Literatur und Musik eine neuartige Kooperation im Dispositiv der Unterhaltung ein. Während bereits häufiger untersucht wurde, wie sich die technischen Innovationen der Ton-, Text- und Bildreproduktion um 1900 auf Produktion und Ästhetik auswirkten, blieben die damit verbundenen soziokulturellen Wechselwirkungen noch weitgehend unbeachtet. 1928 prangert Siegfried Kracauer in seinem Essay „Die kleinen Ladenmädchen gehen ins Kino“ die Entwicklung des Unterhaltungsfilms zu einer Kunst der emotionalen und kommerziellen Manipulation an. Eine junge Frau aus sozial schwachem Umfeld stellt in dieser Kritik die unmündige und inkompetente Musterrezipientin par excellence dar. Diese intersektionale Festlegung von Geschlecht und sozialer Herkunft wirft die Frage auf, ob und inwiefern diese Verknüpfung auch für literarische und musikalische Genres hergestellt wurde.

Auf der Tagung steht deshalb nicht nur eine in die frühe Populärkultur eingeschriebene Asymmetrie geschmacklicher Geringschätzung zur Diskussion, sondern auch die intermediale Verflechtung von Literatur, Musik und Film in den Dispositiven einer technisch und sozial zunehmend ausdifferenzierten Unterhaltungskunst. Bei dieser zunehmenden Popularisierung und Diversifizierung beliebter Genres kamen vor allem die Öffnung der höheren Bildung für Frauen und deren neu erkämpftes Wahlrecht, aber auch die Liberalisierung der ‚Sitten‘ in den Großstätten und die Emanzipation der Arbeiter- und Angestelltenmilieus zum Tragen. Insbesondere die Auflösungsprozesse der österreichischen und deutschen Monarchien einschließlich der virulenten Kolonialdiskurse setzten kollektive Phantasien, Wünsche und Ängste frei, die es sich unter innovativen Gesichtspunkten der Gender and Diversity Studies zu analysieren lohnt. Der Fokus der Tagung liegt außerdem auf interdisziplinären Herangehensweisen, die sich aus korrespondierenden Methoden der Literatur-, Musik- und Filmwissenschaft ergeben. Die Beiträge werden in Panels organisiert, die dem ABC soziokultureller Praxis folgen, z.B. Abonnement, Erwerbsarbeit, Feierabendvergnügen, Festkultur, Haushalt, Rendezvous, Salon, Sommerfrische, Weiterbildung, Wohltätigkeit.

Die Tagung findet in der Evangelischen Akademie Hofgeismar statt. Eine Übernahme der Reisekosten und die Publikation der Tagungsbeiträge sind geplant. Abstracts (max. 300 Wörter) und eine kurze biographische Notiz (max. 80 Wörter) bitte bis zum 17. März 2020 an: annika.klanke@tu-dortmund.de.

Veranstalterin:

Prof. Dr. Sigrid Nieberle
Professur für neuere und neuste deutsche Literatur
Technische Universität Dortmund
Fakultät Kulturwissenschaften
Sprecherin der AG Diversitätsstudien