Das Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung/ ZFG und die Gender Studies an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg haben Professorin Heike Fleßner außerordentlich viel zu verdanken. Mit ihrer Kreativität und ihrem kritischen Denken in Lehre und Forschung, ihrer Kollegialität und Zugewandtheit im Umgang mit Lehrenden und Studierenden und nicht zuletzt ihrem institutionellen Engagement für die Studiengänge und das ZFG war sie über Jahrzehnte an zahlreichen Entwicklungsschritten der Frauen- und Geschlechterstudien nicht nur an dieser Universität maßgeblich beteiligt.

Frauen-Fragen beschäftigten Heike Fleßner seit Beginn ihrer wissenschaftlichen Laufbahn als Pädagogin, in der zunächst Fragen der öffentlichen Kleinkinderziehung im Mittelpunkt standen. Sie brachte dies früh ein in die noch nicht strukturell verankerten Aktivitäten der Frauen- und Geschlechterstudien an der Universität: So engagierte sie sich zum Beispiel 1987 im Rahmen der 1. Oldenburger Frauenwoche Frauen-Leben & Provinz oder veranstaltete 1989 an der Universität eine Tagung zu Kooperationsmöglichkeiten zwischen Wissenschaftlerinnen und kommunalen Gleichstellungsstellen.

Die lokale und regionale Dimension blieb auch in den folgenden Jahrzehnten eine wichtige Konstante in ihrer Arbeit, u.a. in ihrem Engagement für die Oldenburger Frauengeschichte. Zugleich wuchs aber auch ihr Engagement auf nationaler und internationaler Ebene, nicht zuletzt mit dem Ziel, endlich auch in Deutschland Frauen- und Geschlechterstudien als eigenständige Studiengänge zu etablieren.

In den USA gab es bereits seit den siebziger Jahren 600 solcher Programme, in Deutschland dagegen keinen einzigen grundständigen Studiengang. Mit der Tagung Women’s Studies im internationalen Vergleich wurden 1993 die Grundlagen ausgelotet und nachdrücklich der Anspruch erhoben, Frauen- und Geschlechterstudien an der Universität Oldenburg zu etablieren. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchte es noch einige weitere Jahre und vor allem Mitstreiterinnen aus dem Arbeitskreis Wissenschaftlerinnen – aber dann war es so weit: Auf Basis eines einstimmigen Senatsbeschlusses wurden zum Wintersemester 1997/98 Studierende für das Magisternebenfach Frauen- und Geschlechterstudien zugelassen. Dieses Novum in Deutschland teilen sich Oldenburg und Berlin, denn an der Humboldt-Universität wurde gleichzeitig eröffnet.

Ein weiterer wichtiger Doppelschritt – die Etablierung eines wissenschaftlichen Zentrums sowie internationaler Strukturen – gelang um die Jahrtausendwende. In der Einleitung zu dem 1994 erschienenen Tagungsband wurde noch selbstkritisch angemerkt: „Ausgeblendet blieben Women’s-Studies-Programme aus Ländern der Dritten Welt“ – dem wurde im Prozess der Gründung des ZFG aktiv entgegengearbeitet. Oldenburgerinnen, einschließlich Heike Fleßner, luden im Jahr 2000 Wissenschaftlerinnen, die in Hannover auf der Internationalen Frauenuniversitätweilten, zu einer Exkursion nach Oldenburg ein und knüpften so nachhaltige Kontakte vor allem mit Genderforscherinnen aus dem Globalen Süden. Dies mündete in die inspirierende Konferenz des Jahres 2001 Societies in Transition – Challenges Women’s and Gender Studies, mit der das neugegründete ZFG eröffnet wurde: mit Forscherinnen aus allen Kontinenten, die zu diesem Zeitpunkt optimistisch in die Zukunft blickten.

In dieser Aufbruchstimmung agierte Heike Fleßner von 2001 bis 2009 als engagierte und versierte Direktorin, die sowohl die Verhandlungen mit dem Land Niedersachsen als auch mit der Leitung der Universität und den Fakultäten erfolgreich führte. So gelang es regelmäßig im Rahmen des Maria-Goeppert-Mayer-Programms, internationale Gastwissenschaftlerinnen an die Universität zu holen und damit die internationale Dimension in Lehre und Forschung auszubauen. Aber auch der Interdisziplinarität war Heike Fleßner verpflichtet – u.a. engagierte sie sich bei der Einwerbung der Junior-Professur Gender, Bio-Technologien und Gesellschaft mit dem Ziel, die Verankerung der Gender Studies in den Naturwissenschaften voranzubringen. Sie verknüpfte ihre Rolle als Direktorin mit der Leitung einer Reihe von Forschungsprojekten und trug so ganz wesentlich dazu bei, das ZFG und auch die Gender Studies nachhaltig zu etablieren. Im Kontext des Bologna-Prozesses wurde aus dem Magisternebenfach Frauen- und Geschlechterstudien der BA Gender Studies, der lange gemeinsam mit dem Zentrum für feministische Studien/ Zentrum für Gender Studies der Universität Bremen durchgeführt wurde.

Es gibt noch viele weitere Aktivitäten, bei denen Heike Fleßner die Federführung hatte oder mitwirkte: so die Schriftenreihen Oldenburger Beiträge zur Geschlechterforschung und im transcript Verlag die Studien Interdisziplinäre Geschlechterforschung mit reger Veröffentlichungspraxis oder auch die Zusammenarbeit mit weiteren Gender-Forschungszentren, u. a. in der Landesarbeitsgemeinschaft der Einrichtungen für Frauen- und Geschlechterforschung in Niedersachsen LAGEN und nicht zuletzt die vielen, vielen weiteren Gender Studies-Veranstaltungen, die das Zentrum und das Fach hochschulöffentlich, regional, national und international sichtbar machten.

Mit dem Tod Heike Fleßners haben wir eine zentrale Akteurin und wichtige Mitstreiterin, eine hoch engagierte Kollegin und liebe Freundin verloren. Wir danken ihr für ihren Optimismus und ihre so überaus vielfältigen Beiträge – und hoffen, dass es uns gelingen wird, trotz aller neuen Unwägbarkeiten und Widrigkeiten ihre Arbeit fortzusetzen, die in vielerlei Hinsicht auch die unsere ist.

Dr. Lydia Potts, Prof. Dr. Almut Höfert, Karola Gebauer, Dr. Jutta Jacob, Dr. Ulrike Koopmann, Prof. Dr. Barbara Paul, Dr. Sylvia Pritsch, Prof. Dr. Silke Wenk