Liebe Mitglieder der Fachgesellschaft Geschlechterstudien,

 

wir wünschen Euch ein frohes neues Jahr 2023! Wir hoffen, Ihr seid gut hineingekommen und konntet ein wenig Energie tanken, denn 2023 hält sicher wieder viele spannende Diskussionen, Lehre, Forschung, Arbeitsgruppen, Gremienarbeit und vieles mehr für uns alle bereit. Wir freuen uns schon sehr auf die nächste Jahrestagung vom 15. bis 17.06.2023 in Halle/Leipzig!

 

Gern möchten wir die Gelegenheit nutzen, uns an dieser Stelle zur vergangenen Jahrestagung zu äußern, die vom 6.4. bis 9.4.2022 an der Universität Kassel ausgerichtet wurde. Sie stand unter dem Motto „Decolonizing Gender Studies“. Die Tagung hatte zum Ziel, „einen Raum für den Dialog zwischen post- und dekolonialen, feministischen, queeren und antirassistischen Perspektiven, Praktiken und Visionen“ zu schaffen. Wir danken dem Team, bestehend aus Elisabeth Tuider, Johanna Leinius, Nomaswazi Shabalala, Jennifer Stoll, Pinar Tuzcu, Aylin Dalkiran und Lisa Brauner. Sie haben durch die Jahrestagung das Thema prominent auf die Agenda der Fachgesellschaft gesetzt und im Vorfeld wie während der Tagung wertvolle Arbeit geleistet. Wir möchten ebenso allen Beteiligten herzlich danken, die mit ihren Beiträgen, Workshops, Panels, Podien, Lesungen und Vorträgen die Jahrestagung bereichert, wichtige fachliche Diskussionen ermöglicht und Einblicke in Forschungen gegeben haben. Wir freuen uns bereits sehr auf die Publikation, die gerade entsteht!

 

Wir erachten das Thema der Jahrestagung weiterhin als unverzichtbar. Die Tagung war ein elementarer Baustein, um die Frage nach dekolonialen Strategien weiter nachhaltiger anzugehen, die überfälligen Aufarbeitungen struktureller Rassismen innerhalb der unterschiedlichen Fachkulturen und Forschungsparadigmen zu adressieren und zu fragen, wo wir in diesem Prozess in den Gender Studies tatsächlich stehen. In diesem Sinne verstehen und begrüßen wir ausdrücklich grundsätzliche Kritik, wie sie in einzelnen Panels und insbesondere im Rahmen des ad hoc durch anwesende BIPoC Studierende, Scholars und Aktivist*innen organisierten Podiums zum Abschluss der Tagung geäußert wurde. Im Rahmen dieser Intervention kamen Verletzungen zur Sprache und es wurde fundamentale und wichtige Kritik an deutschen akademischen Strukturen und dadurch bedingten Benachteiligungen rassistisch markierter Studierender und Scholars geäußert. Darüber hinaus wurde angemerkt, dass Fachkulturen der inter- und transdisziplinären Gender Studies und die Strukturen der Fachgesellschaft Geschlechterstudien kolonialistische Epistemologien fortsetzen.

Wir haben auf der konstituierenden Vorstandssitzung am 19.4.2022 und nachfolgenden Sitzungen diese Kritiken intensiv diskutiert. Uns war bewusst, dass sich viele von uns eine möglichst unmittelbare Stellungnahme gewünscht hätten. Angesichts konfligierender Erwartungen an die Stellungnahme haben wir uns jedoch gemeinsam dazu entschieden, zunächst in verschiedenen Kontexten weitere Aushandlungsprozesse anzustoßen und an Diskussionsprozessen teilzunehmen. Wir haben uns auf die Frage konzentriert, wie die Kritik an strukturellen Problemen produktiv aufgegriffen werden kann und uns gleichzeitig bemüht, als Ansprechpartner*innen zur Verfügung zu stehen. Wir möchten nun in einem ersten Schritt Transparenz schaffen und einige erste Aspekte nennen, die direkte Reaktionen auf die Kritik sind:

Für die Publikation der Jahrestagung bemühen wir uns gemeinsam mit dem Herausgeber*innenteam und dem Redaktionsteam des Open Gender Journals und der Open Gender Collections um die Gestaltung eines Prozesses, der es ermöglichen soll, der Kritik Raum zu geben.

Für die kommende Jahrestagung wurden acht Reisestipendien für Studierende sowie prekär Beschäftigte oder erwerbslose Menschen (vier an Mitglieder der FG, vier an Nicht-Mitglieder) eingerichtet. BIPoC Studierende werden dabei bevorzugt berücksichtigt. Aus der Erfahrung heraus, dass im Vorfeld der letzten Tagung diese Möglichkeit zu spät kommuniziert wurde, haben wir dies nun frühzeitig an das Organisationsteam der Jahrestagung 2023 weitergegeben.

Außerdem standen und stehen wir im Austausch mit Beteiligten der Organisationsteams beider Jahrestagungen (2022 und 2023). Das Team der Jahrestagung in Halle/Leipzig ist dabei, Awarenessstrukturen einzurichten und Safer Spaces bzw. Rückzugsräume für Menschen, die von Rassismus, Ableismus, Neuronormativität, Heterosexismus und Transphobie betroffen sind, zur Verfügung zu stellen. Wir danken dem Team bereits jetzt für ihr Engagement und die Planungen bezüglich des Kuratierens der eingereichten Abstracts und der Tagungsorte.

Wir setzen uns als Gremium weiterhin mit der Kritik auseinander und haben dafür auch viel Zeit eingeräumt. Immer wieder überlegen wir, wie wir als Fachgesellschaft Prozesse anstoßen oder aktiv begleiten können – auch im Rahmen der kommenden Jahrestagungen. Wir stellen uns den Fragen der Sprecher*inposition innerhalb der Geschlechterstudien und der Reichweite der Fachgesellschaft. Wenn wir von „wir“ sprechen, ist dies erstmal auch eine linguistische Formalität, da der Vorstand unterschiedlich sozial und politisch positioniert ist und wir auch damit umgehen. Wir nehmen in diesen Prozess die bisher thematisierte Kritik mit. Selbstverständlich sind wir offen und freuen uns über weitere Rückmeldungen zu unserer Arbeit.

Bis dahin wünschen wir Euch einen guten Start ins neue Jahr 2023!

 

Herzlich,

 

Euer Vorstand